Jugendpolitisches Wirken in der Evangelischen Jugend der Pfalz

Jugendpolitik
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Soll sich Evangelische Jugend jugendpolitisch engagieren?

Eine Frage, die grundsätzlich nicht verneint, aber dennoch unterschiedlich bewertet wird. Meine Haltung ist klar ausgedrückt mit einem Satz, den ich verinnerlicht habe:  Jugendarbeit braucht zwei Beine, ein pädagogisches Bein und ein jugendpolitisches Bein – auf einem Bein kann man nicht laufen.

Die Evangelische Kirche der Pfalz und die EJP unterstützen meine jugendpolitischen Aktivitäten. Meine Arbeitsplatzbeschreibung sieht einen beträchtlichen Anteil jugendpolitischer Arbeit vor. Zudem stattete mich die Evangelische Landesjugendvertretung bisher immer mit dem jugendpolitischen Mandat per Wahl aus. Vorsitzender des Landesjugendrings RLP und Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss sind beispielsweise Funktionen, die sich in diesem Tätigkeitsfeld ergeben. Ebenfalls zum Arbeitsfeld gehört Beratung und Information nach innen. Meine Aufgabe ist es, die Evangelische Jugend über jugendpolitische Entwicklungen zu informieren, kommunale jugendpolitische Bedarfe zu kennen und sich möglichst in der Landespolitik dafür einzusetzen. Wichtige Foren dafür sind die Arbeitsgemeinschaft der EJ in RLP (aej-rlp) und der AK Jugendpolitik der EJP, der sich zweimal im Jahr trifft, primäre Zielgruppe dort sind die Kolleg*innen aus den Zentralstellen.

Im AK Jupo entstand die Idee für diesen Artikel. Motivation dafür war, die Debatte um die Wertigkeit von jugendpolitischer Arbeit im Jugendverband zu bereichern.

Dafür wurden 4 Interviews mit jeweils 4 Fragen zum Thema „Jugendpolitische Arbeit in der EJ – Chancen und Möglichkeiten im Jugendhilfeausschuss und den Jugendringen!“ geführt. Die Ergebnisse der Interviews fasse ich im Folgenden zusammen.

Frage 1:

Sollte sich Evangelische Jugend (jugend)politisch engagieren? Wenn ja, wo, wie und warum?

„Ja, absolut. Mehr denn je sollten wir unsere Werte vertreten und auf Ungerechtigkeiten hinweisen. Aus den letzten 5 Jahren haben wir gelernt, dass junge Menschen keine Stimme haben.“

 

„Es ist unsere Aufgabe das Gespräch zu suchen und ggf. ihre Interessen zu vertreten. Es ist christlich und Teil unserer Verantwortung gesellschaftliche Prozesse mitzugestalten.“

 

„Es ist wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Kinder und Jugendliche mehr sind als Schüler*innen, sie haben das Recht Jugendliche*r zu sein.“

 

„Es sollte nach außen und nach innen dargestellt werden, dass wir uns für junge Menschen einsetzen, das fördert evtl. das eigene Auseinandersetzen junger Menschen mit Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit.“

 

Klare Aussagen, es gehört für uns zur DNA, sich für junge Menschen und ihre Rechte einzusetzen, sie zu unterstützen und sie zu begleiten bei ihrer Entwicklung zu einer gefestigten Persönlichkeit. Unser christliches Menschenbild ermutigt uns, Lobbyarbeit für junge Menschen zu machen und für ihre Rechte einzustehen, ihre Positionen einzubringen und sie zu befähigen, das selbst auch tun zu können. Junge Menschen werden demographisch immer mehr zur Minderheit – sie brauchen Unterstützung!

Frage 2:

Was bringt die Mitarbeit in Jugendringen (JR) und Jugendhilfeausschüsse (JHA)? Jugendringe als Teil der Vertretung der Jugendverbände – Jugendhilfeausschüsse als Teil der Jugendhilfe.

Mit der gesetzlichen verankerten Rolle der JHA haben die Jugendverbände das Recht und die Pflicht dort mitzuarbeiten und die Forderungen der jungen Menschen zu vertreten. Dort geht es z.B. um Projekt- und Maßnahmenförderung. In den JHA ist die Zusammenarbeit mit der Politik und der Verwaltung möglich – sie sollten uns kennen und schätzen.

In den JR können wir die Chancen für die Vernetzung nutzen und gemeinsam von den Anderen profitieren, über den Tellerrand schauen. Gemeinsam ist es einfacher, größere Projekte für junge Menschen umzusetzen. Starke Jugendringe sind eine wichtige Lobby für junge Menschen.

In vielen Regionen übernehmen wir als Hauptberufliche die Position des*der Vorsitzenden in den Ringen und nehmen die Delegationen in die JHA wahr. Wir haben dafür Ressourcen im Vergleich zu vielen kleinen Jugendverbänden. Wir entlasten unsere Ehrenamtlichen, die die Sitzungszeiten gerade in den JHA nicht bedienen können. Wir sind Anwält*innen für junge Menschen, gerade deshalb, weil wir in Kontakt mit ihnen stehen.

Wir sind bereit, jugendpolitische Verantwortung für junge Menschen zu übernehmen, in den Gremien, gemeinsam mit und für andere Jugendverbände, für junge Menschen.

Frage 3:

Bei welchen jugendpolitischen Verbesserungen für unsere Jugend(verbands)arbeit konntest du schon mitwirken?

Die Befragten konnten alle über Erhöhung der Fördersätze von Maßnahmen berichten, die sie in den JHA eingebracht und dafür geworben haben. Ein Dankeschön-Tag für Ehrenamtliche wurde genannt. Aber auch die Beteiligung an Informationskanälen wurden beschrieben, die gerade in der Coronazeit immens wichtig war. Kurze „Drähte“ in die Verwaltung, gegenseitiges Kennenlernen, an den Tagesordnungen mitwirken, Gestalten, Fördern und Umsetzen sind die Schlagworte, die zu dieser Frage häufig genannt wurden.

Frage 4:

Wie wirkt sich die Mitarbeit in jugendpolitischen Gremien auf die Vernetzung aus? Wie und wo konntest du bisher davon profitieren?

Das Kennenlernen von Kolleg*innen aus anderen Verbänden, aus den Verwaltungen wird als sehr bereichernd beschrieben. Austausch, Absprachen, Verleihen von Material, neue Impulse für die eigene Arbeit, kürzere Wege für Infos, Kooperationen, engere Zusammenarbeit mit der Kreisjugendpflege sind die Stichworte, die genannt wurden.

Hinter allem steckt das oft verwendete Wort Vernetzung. Vernetzung bedeutet in der Regel gegenseitige Unterstützung, voneinander lernen, jemanden kennen, der jemanden kennt und mich weiterbringt. Der wichtigste Aspekt der Vernetzung für mich ist der gemeinsame Einsatz, die gemeinsame Lobbyarbeit für junge Menschen für junge Menschen. Wenn wir, die Akteur*innen in der Jugendarbeit uns als Konkurrent*innen begreifen, erreichen wir nichts, gemeinsam sind wir lauter und stärker.

Ein praktisches, sicher auch sehr besonderes Beispiel, in dem Jugendpolitik, Vernetzung und gute Kommunikation glänzend funktioniert haben aus dem Frühsommer 2020: Die Landesregierung hat ein neues Hygienekonzept für die Jugendarbeit veröffentlicht, mit dem es keine Chance gab, Sommermaßnahmen incl. Übernachtung für junge Menschen durchzuführen. Als Vorsitzender des Landesjugendrings bekam ich immer sehr früh die neuen Verordnungen und Konzepte. Ich habe sofort meine Kolleg*innen im Verband informiert und sie gebeten zu formulieren, was dieses neue Konzept ganz praktisch für Sie bedeutet. Über das Wochenende habe ich die vielen Rückmeldungen zusammengeschrieben und der zuständigen Ministerin einen Brief geschrieben. Zufälligerweise hatten wir (VS-LJR) in der drauffolgenden Woche einen Termin mit Ministerin Binz, bei dem ich den Sachverhalt mündlich erläutern konnte, 5 Tage später gab es ein neues Hygienekonzept, die Freizeiten der Jugendverbände konnten stattfinden und viele junge Menschen hatten ihr Gemeinschaftserlebnis, was sie so dringend brauchten – eine jugendpolitische Sternstunde! Die gibt es nicht immer.

Fazit und Ausblick

Zurück zu den Interviews. Natürlich, hier haben nur Kolleg*innen geantwortet, die selbst jugendpolitisch aktiv sind, die entsprechende Jugendarbeitsgremien besetzen und die erfahren, welchen Benefit dieses Engagement für die eigene Arbeit hat. In ihren Aussagen wird aber sehr deutlich, dass jugendpolitisches Engagement Teil der Jugendarbeit sein muss und wir uns als Evangelische Jugend einbringen sollten – dort wo es gilt für junge Menschen Partei zu ergreifen.

Ich kenne die Stellenbeschreibungen im Einzelnen nicht, ich halte es aber für notwendig, dass die jugendpolitische Arbeit im Stellenprofil der pädagogischen Mitarbeiter*innen enthalten ist.

Ich halte es auch für die Aufgabe von Evangelischer Jugend, in entsprechenden Gremien mitzuarbeiten, wenn nötig auch Verantwortung dort zu übernehmen. Wir als Evangelische Jugend haben in der Regel mehr Ressourcen als die kleineren Verbände – für mich gilt daher immer die Devise „Die Großen für die Kleinen“.

Ich danke folgenden Kolleg*innen aus den Zentralstellen für die Unterstützung und die Bereitschaft auf meine Fragen zu antworten. Mein Dank geht an Carmen Weygandt und Nico-Romeo Bauman aus Zweibrücken, Tanja Früh und Eva Hertel aus An Alsenz und Lauter, Natalie Dernberger aus Germersheim sowie Maximiliane Auer und Lisa Vogel aus Frankenthal.

Autor*in

Volker Steinberg

Referent Jugendpolitik